Vortrag von Herrn Rechtsanwalt Günther R. Neugebauer
Kinder sind ihren Eltern gegenüber im Alter unterhaltspflichtig. Ihren Lebensstandard und ihre Zukunftspläne brauchen sie dafür aber nicht aufzugeben – wenn sie richtig planen.
In einem Urteil haben die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) geurteilt: Kinder bleiben ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig – nur bei schweren Verfehlungen der Eltern erlischt die Unterhaltspflicht. Ein ziemlicher Ausnahmefall – die Mehrheit der Menschen wird sich der Unterhaltsforderung nicht grundsätzlich entziehen können.
Die Lebenserwartung der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland waren noch vor gut 50 Jahren durchschnittlich bei 70 Jahren, inzwischen ist das Durchschnittalter über 80 Jahre geworden.
Die Pflegeversicherung deckt jetzt bereits nur einen kleinen Teil der nötigen Kosten ab. Und mit der zunehmenden Zahl pflegebedürftiger und dementer alter Menschen steigt die Zahl der Kinder, die Unterhalt zahlen müssen.
Es sind meist die Sozialämter, die mit einer solchen Forderung auf die erwachsenen Kinder zukommen. Dass die Eltern selbst Unterhalt fordern, kommt fast ausschließlich bei Eltern mit gerichtlich bestelltem Betreuer vor. Auch die Fälle dürften sich mit der Zeit häufen. Und Streit ist absehbar. Denn wenn ihnen die Unterhaltsforderungen ins Haus flattern, haben die Kinder oft eigene Kinder zu versorgen und müssen sich selbst für das Alter absichern.
Private Kosten nachweisen
Doch eine verbreitete Angst erwachsener Kinder ist unbegründet: Dass ihnen selbst nicht genug bleibt, wenn sie Unterhalt zahlen sollen. Ihren Lebensstandard und auch Zukunftspläne braucht eine Unterhaltsforderung für die eigenen Eltern nicht über den Haufen zu werfen. Um sich davor zu schützen, müssen erwachsene Kinder allerdings ein wenig planen und auch private Kosten nachweisen können.
Die Berechnung der für ein unterhaltspflichtiges Kind zulässigen finanziellen Belastung ist grundsätzlich so einfach wie beängstigend: Das Amt ermittelt, wie viel Unterhalt an eigene Kinder das unterhaltspflichtige Kind laut der nach Einkommen gestaffelten Düsseldorfer Tabelle zahlen muss.
Vom Rest lässt das Amt dem unterhaltspflichtigen Kind 1600 € Selbstbehalt, erklärt Rechtsanwalt Günther R. Neugebauer von der Kanzlei Neugebauer & Coll. und von allem, was darüber hinaus geht, kann das Amt die Hälfte für den Elternunterhalt anfordern.
Komplizierter – dafür erfreulich – wird es bei der Frage, welche Kosten zusätzlich das Einkommen bei der Berechnung mindern und es so dem Zugriff des Amts entziehen.
Während für den Unterhalt der eigenen Kinder vereinfacht gesagt der Grundsatz des Bundesgerichtshofs gilt, dass Eltern im Extremfall das letzte Hemd mit ihnen teilen müssen bevor das Sozialamt für den Unterhalt einspringen muss, hat der Bundesgerichtshof dieser Einschätzung beim Unterhalt für die eigenen Eltern vor nicht allzu langer Zeit einige Riegel vorgeschoben.
Der Lebensstandard muss den Kindern erhalten bleiben
Der bisher gewohnte Lebensstandard und die eigene Altersvorsorge müssen den unterhaltspflichtigen Kindern erhalten bleiben“, sagt Rechtsanwalt Neugebauer.
„Alles, was sich im eigenen Leben als gewohnheitsmäßiger Lebensstandard herauskristallisiert hat, können unterhaltspflichtige Kinder einkommensmindernd ansetzen. Allerdings müssen sie ihn zuvor nachweisen. Das ist meist das größere Problem.
Die unterhaltspflichtigen Kindern mit eigener Immobilie die oftmals größte Angst nehmen dürfte: Die selbst genutzte Immobilie müssen die Sozialämter seither bei der Berechnung der Unterhaltspflicht außen vor lassen. Angemessene selbst genutzte Immobilien dienen der eigenen Altersvorsorge zahlungspflichtiger Kinder.
Einschränkung: Die Ämter dürfen für das Wohnen im eigenen Haus einen geldwerten Vorteil ansetzen, der wie zusätzliches Einkommen zählt. Dem können die Kinder aber im Gegenzug Kreditverpflichtungen, Grundsteuer und Gebäudeversicherung einkommensmindernd entgegensetzen. Es braucht sich niemand zu sorgen, dass er aus seinem Haus raus muss oder nicht mehr in Urlaub fahren kann.
Wer kein Wohneigentum besitzt, sondern zur Miete wohnt, dem müssen die Sozialämter die vollen Kosten für die Warmmiete einkommensmindernd durchgehen lassen – auch wenn die über den etwa bei der Bewilligung von Sozialleistungen sonst üblichen Sätzen liegen. Wer allerdings beispielsweise ein Ferienhaus besitzt, den kann das Amt durchaus zwingen, es zu vermieten, um Geld für den Unterhalt der Eltern lockerzumachen.
Für die sonstige Altersvorsorge dürfen unterhaltspflichtige Kinder 20 Prozent vom Bruttoeinkommen behalten sowie weitere fünf Prozent für zusätzliche Altersvorsorgeausgaben.
Diese Kosten müssen die Kinder natürlich nachweisen, erklärt Neugebauer. Aber auch darüber hinaus brauchen unterhaltspflichtige Kinder wenige Einschränkungen hinzunehmen. Selbst den regelmäßigen Fernurlaub mehrmals im Jahr, teure Hobbys oder auch kostspieligen Musikunterricht für die Kinder darf das Amt nicht einfach streichen.
Die für diese Ausgaben nötigen Mittel muss es den unterhaltspflichtigen Kindern ebenfalls lassen. Das Problem ist nur: Die müssen dem Amt diese Kosten dann schon nachweisen. Sonst können sie nicht belegen, dass sie Standard sind. Das sei oft ein Problem, warnt Neugebauer. Daher rät er, sich frühzeitig mit dem Thema Pflege der Eltern zu befassen und die Kosten der eigenen Lebensführung gegebenenfalls frühzeitig zu dokumentieren.
Verschärft gilt dies noch für bloße Zukunftspläne. Auch diese muss ein unterhaltspflichtiges Kind nicht aufgeben – seien es Rücklagen für eine spätere Dachreparatur am Eigenheim oder das Ersparte für einen selbst finanzierten vorgezogenen Ruhestand. Doch sie sind den Ämtern gegenüber noch schwieriger zu verteidigen als Lebenshaltungskosten der Vergangenheit, weil ja naturgemäß noch keine Kosten angefallen sind.
Vorausschauend planen
Wem seine Pläne wichtig sind, der sollte vorausschauend planen. „Wir hatten mal einen Unternehmer, der mit 55 in den Ruhestand gehen wollte und mit 52 in die Beratung kam, weil sich abzeichnete, dass das Vermögen der Eltern für deren Pflege nicht reichen würde“, berichtet Neugebauer.
„Der Mann hatte sich seine Deckungslücke ausrechnen lassen, die durch den vorgezogenen Ruhestand entsteht und dafür Bar-Rücklagen gebildet. Es ging ihm nun darum, diese bereits seit Jahren bestehende Absicht dem Amt später nachzuweisen. Hierfür empfiehlt sich allerdings anwaltliche Hilfe zu nutzen.
Die Kosten für einen Anwalt können sich also lohnen. Denn Anwälte müssen im Gegensatz zu den ebenfalls zur Auskunft verpflichteten Sachbearbeitern immer die aktuelle Rechtslage kennen. Und die ist meist verbraucherfreundlich.
Auch beim Amt sollten Kinder aber trotzdem nachfragen – schon weil das die Ansprüche der Eltern in alle Richtungen prüft. Kürzlich hatten wir eine Frau, die keine Witwenrente geltend gemacht hatte“, berichtet Neugebauer. Die hat sie dann unerwartet dazu bekommen – und so die Unterhaltspflicht der Tochter gesenkt.